Eine Bank fürs Leben: Die Frauenmilchbank am Campus Virchow-Klinikum
Viele wissen es nicht: Nicht nur Blut, sondern auch Frauenmilch kann gespendet und gelagert werden. Hierfür betreibt das Charité Facility Management die Frauenmilchbank (FMB). Wieso sie ein wichtiger Bestandteil der neonatologischen Versorgung ist und wie sie es schafft, Frühgeborene mit Humanmilch (Spende- oder Frauenmilch) zu versorgen, erklären Dr. Monika Berns, Medizinische Leitung der FMB, und Ümit Ejder von der CFM.
Was ist eine Frauenmilchbank?
Dr. Monika Berns (MB): Eine Frauenmilchbank ist eine Institution, die Milch sammelt, lagert, aufbewahrt, aufarbeitet – ich sag immer veredelt – und sie dann wieder ausgibt an Kinder, die diese Milch bekommen sollen. Das sind sehr kleine Frühgeborene, deren Mütter noch nicht genug eigene Muttermilch zur Verfügung stellen können.
Wir wissen, dass Muttermilch die beste Ernährung ist. Es gibt auch Ersatznahrungen, die Humanmilch ist aber besser verträglich, besonders bei sehr Frühgeborenen, bei denen gerade der Darm noch sehr unreif ist. Wenn die Mutter noch nicht genügend Milch hat, wird diesen Säuglingen Frauenmilch verabreicht, bis sie ein bestimmtes Gewicht erreicht haben.
Was passiert bei dem Prozess, den Sie „Veredelung“ nennen?
MB: Veredelung bedeutet, dass wir schauen, ob nur Muttermilchkeime in der Milch sind. Einen Teil der Milch pasteurisieren wir, nehmen also die Keime raus. Bei den Frühgeborenen erfolgt die Pasteurisierung aufgrund des Zytomegalievirus (CMV), das schwere Infektionen auslösen kann. Dies passiert indikationsbedingt, wenn etwa die eigene Mutter CMV hat.
Viele der Säuglinge, die wir betreuen, sind sehr kleine Frühgeborene, die mitunter nur 500-600 Gramm wiegen und bis zu 16 Wochen oder mehr zu früh geboren werden. Wäre solch ein Frühgeborenes noch innerhalb der Gebärmutter, würde es sich sehr viele Proteinbausteine über den Mutterkuchen holen. Dieser Prozess kann durch Muttermilch allein nicht ersetzt werden. Daher müssen der Muttermilch in solchen Fällen Protein, Calcium und Phosphat (Supplemente) hinzugegeben werden, damit das Kind gut gedeihen kann.
Wie hoch ist die Nachfrage nach der Milch aus der Frauenmilchbank?
MB: Die Nachfrage ist sehr groß. Daher gibt es eine Priorisierungsliste. Versorgt werden Säuglinge unter 1.500 Gramm, die ein hohes Risiko für eine nekrotisierende Enterokolitis (schwere Darmerkrankung) haben. Hier ist inzwischen wissenschaftlich belegt, dass die Gabe von Frauenmilch das Risiko dieser Erkrankung halbiert.
In Berlin beliefern wir neben der Charité inzwischen vier weitere Kliniken mit Perinatalzentren.
Wie funktioniert der Ablauf für Mütter, die Spendemilch benötigen?
MB: Oft kündigt es sich vorher an, dass es eine Frühgeburt geben wird. Dann sprechen wir Neonatologinnen und Neonatologen im Vorfeld mit den Müttern darüber, dass wir das Kind ernähren müssen und dafür gern Muttermilch nutzen würden. Die werdenden Mütter fragen dann meist, ob sie selbst schon Muttermilch haben.
Wir erklären ihnen, dass sie diese zwar schon haben, regelmäßiges Pumpen aber essenziell ist, um in eine gute Milchbildung zu kommen. Damit wird der Grundstein für die eigene Milch gelegt. Wenn Mütter nicht gut in die Milchbildung kommen, kann das Kind später nicht gestillt werden.
In diesem Gespräch informieren wir sie auch darüber, dass wir über eine Frauenmilchbank verfügen und sie mit der Spendemilch gern unterstützen würden, bis sie selbst in die Milchbildung kommen. Die überwiegende Mehrheit der Eltern nimmt dieses Angebot an. Nur sehr wenige lehnen dies ab, weniger als 5 %, um genau zu sein. In diesen Fällen wird auf Formula-Nahrung zurückgegriffen.
Wer sind die Spenderinnen?
MB: Die Spenderinnen sind größtenteils Mütter, die sich bei uns in der Neonatologie befinden. Denn Mütter, die ein sehr kleines Frühgeborenes haben, müssen sowieso von Anfang an Milch abpumpen. Wir haben ein sehr gutes Still- und Laktationsprogramm, das heißt, wir bekommen unsere Mütter sehr schnell in die Milchbildung.
Bei uns brauchen die Säuglinge im Median nur sechs Tage Frauenmilch. Ein sehr kleines Frühgeborenes mit 600 Gramm bekommt beispielsweise etwa 12 mal 12 Milliliter pro Tag. Diese Menge produziert eine Mutter sehr schnell, wenn sie oft genug Milch abpumpt. Ab dem zweiten, dritten Tag kommt dann auch mehr Milch. Diesen Prozess nennt man initiale Milchbildung.
Wenn es gut läuft, ist die Mutter bereits zwischen dem dritten bis fünften Tag in der Lage, ungefähr 500 Milliliter abzupumpen. Ihr Baby braucht dann in der Regel nur einen kleinen Teil dessen, weil es sich ja um ein Frühgeborenes handelt. Wir fragen dann die Mütter, ob sie bereit sind, ihre Muttermilch zu spenden. Ist das der Fall, wird sie in die Frauenmilchbank aufgenommen.
Worauf muss dabei geachtet werden?
MB: Hat sich eine Frau dazu entschieden, ihre Milch zu spenden, führen wir eine Anamnese durch. Hierzu gehört unter anderem, abzufragen, ob sie nicht raucht, keine Erkrankungen hat und keine Medikamente nimmt. Für das eigene Kind ist dies weniger relevant, für die Spendemilch hingegen schon.
Darüber hinaus wird ein Bluttest durchgeführt, um Infektionen auszuschließen. Ist dies geklärt, geht die Milch in die Spende und wird pasteurisiert. Generell verfüttern wir nur pasteurisierte Spendemilch.
Wie funktioniert die Logistik?
Ümit Ejder (ÜE): Die CFM, die auch die Milchbank betreibt, liefert die Milch an die verschiedenen Charité Campus sowie an die anderen Kliniken. Es gibt hierzu einen regelhaften Termin, der von den Mitarbeitenden der Frauenmilchbank und dem Wirtschaftstransport der CFM organisiert wird.
An die anderen Perinatalzentren liefern wir die Milch gefroren aus. Die Spendemilch wird anonymisiert. Es besteht die Pflicht zu dokumentieren, welches Kind welche Milch erhalten hat, da es sich um eine Substanz menschlichen Ursprungs handelt.
Unsere Logistik holt die Spendemilch aber nicht nur in Berlin ab. Manche Spenderinnen wohnen auch in Brandenburg. Hierfür werden spezielle Kühlboxen genutzt, um zu gewährleisten, dass die Kühlkette eingehalten wird. Die Milch wird in speziellen Flaschen transportiert.
Wie lang ist die Milch in der Kühlung haltbar?
ÜE: Die Spendemilch ist sechs Monate nach Abpumpdatum haltbar. Daher sind die Mütter angehalten, das Abpumpdatum auf die Flaschen zu schreiben.
Eine Frauenmilchbank kann nicht einfach so betrieben werden, es handelt sich dabei um einen Lebensmittelbetrieb, das ist gesetzlich geregelt. Die Milchbank am Virchow-Klinikum ist die einzige deutsche Frauenmilchbank die nach DIN-Norm 9001 qualifiziert ist. Darauf sind wir stolz.
Wie sieht der Alltag in der Frauenmilchbank aus?
ÜE: Zunächst einmal wird die abgepumpte Milch des Vortags von den Stationen durch die Transportmitarbeiter:innen der AEMP (CFM) in die FMB geliefert. Dort wird sie nach Stationen aufgeteilt. Wir arbeiten nach ärztlicher Verordnung, das heißt, die Ärztinnen und Ärzte geben konkret vor, welche Milch in welcher Menge ein Kind bekommt und welche Zusätze (Supplemente) notwendig sind.
Unser Team kümmert sich um all diese Verordnungen. Die übriggebliebene Milch wird eingefroren. Darüber hinaus werden bakteriologische Tests durchgeführt, die die Muttermilch auf Keime hin untersucht. Zu den Arbeiten gehört auch das Pasteurisieren und in ausgewählten Fällen das Zentrifugieren.
Zudem stellen wir auch Formula-Nahrung her. Diese ist für diejenigen, deren Mütter keine Muttermilch haben oder diese nicht vertragen. Die Formula-Herstellung ist ein recht großer Bereich bei uns, der die ganze Kinderklinik versorgt, nicht nur Frühgeborene. Dazu gehören bspw. Kinder mit Stoffwechsel- oder Nierenerkrankungen. Diese Kinder benötigen Spezialnahrung, die von uns individuell zubereitet wird.
Wer arbeitet in der Frauenmilchbank?
ÜE: Es gibt kein klassisches Berufsbild an sich. Unsere Mitarbeitenden kommen aus unterschiedlichen Bereichen, darunter ist Medizinisch-technische Assistenz (MTA), Pharmazeutisch-technische Assistenz (PTA), Diätassistenz und Pflegekräfte.
MB: In den USA gibt es hierfür eine Qualifikation, die nennt sich „Milk Technician“. Dafür benötigt man wie bei uns einen medizinischen Background. Die Frauenmilchbankinitiative, zu deren Gründungsmitgliedern ich gehöre, möchte langfristig eine Aus- bzw. Weiterbildung für diesen Bereich entwickeln.
Was macht die Arbeit in der Frauenmilchbank besonders?
ÜE: Die Frauenmilchbank ist ein vielfältiger Arbeitsplatz mit großer Sinnhaftigkeit. Unsere Mitarbeitenden sorgen dafür, dass sich Säuglinge gut entwickeln und sind ein integraler Bestandteil der neonatologischen Versorgung.
Unsere Arbeitszeiten und –Bedingungen sind familienfreundlich: Es gibt geregelte Arbeitszeiten, die Kernarbeitszeit liegt zwischen 7:30 Uhr und 15 Uhr, 35 Stunden die Woche. Das ist beispielsweise für all diejenigen, die keinen Schichtdienst machen können oder wollen sehr attraktiv.
Dazu kommen reservierte Kitaplätze sowie attraktive Benefits, ein sehr motiviertes Team und ein sicherer Arbeitsplatz, denn der Bedarf an Frauenmilch wächst. Du hast Lust bekommen, das Team der Frauenmilchbank zu verstärken?
Stelle entdecken (CFM Jobportal)
Fotos
Von der Frauenmilchbank: Charité CFM Facility Management GmbH / Nadja Rauch
Symbolbild zum Einsatz der Frauenmilch “Pflege hält Kinderhand”: Charité