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Chancengleichheit und Inklusion: Unsere Beauftragten im Interview

In einer perfekten Welt haben alle Menschen die gleichen (beruflichen) Chancen und Möglichkeiten. An der Charité ist dies Standard! Das Team der Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers kümmert sich genau darum. Wie ihre Arbeit aussieht, wie Menschen mit Schwerbehinderung und gesundheitlichen Einschränkungen an der Charité Karriere machen und was die freie Wirtschaft vom öffentlichen Dienst lernen kann, erzählt das Team im Interview.

An der Charité arbeiten rund 1.100 Personen mit einer Schwerbehinderung bzw. einer Gleichstellung. (Erklärung Gleichstellung). Sie machen rund 6 Prozent unserer Mitarbeitenden aus. Ihnen stehen die Schwerbehindertenvertretungen mit insgesamt 13 Personen arbeitnehmerseitig zur Seite. Zusätzlich gibt es an der Charité zwei Inklusionsbeauftragte, die sich auf Arbeitgeberseite für die Kolleginnen und Kollegen mit gesundheitlichen Einschränkungen stark machen und Führungskräfte entsprechend beraten. Im Jahr arbeiten sie an rund 300 Vorgängen, die die Kolleginnen und Kollegen bei der Eingliederung in den Berufsalltag unterstützen! 

Claudia Hoeppener und Wiebke Hohenhaus sind die Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers der Charité. Sie stellen arbeitgeberseitig sicher, dass die rund 1.100 Charité-Mitarbeitenden mit Schwerbehinderung, die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.

Liebe Wiebke, liebe Claudia, an der Charité gibt es Schwerbehindertenvertretungen und Inklusionsbeauftragte – wo liegt der Unterschied?

„Das bringen viele durcheinander. Grundsätzlich sind die Schwerbehindertenvertretungen (SBV) arbeitnehmerseitig zur Unterstützung von Mitarbeitenden mit Schwerbehinderung / Gleichstellung zuständig. Beispielsweise nehmen sie an Personalgesprächen zur Unterstützung teil, beraten bei allen Fragen rund um das Thema Schwerbehinderung / Gleichstellung und helfen bei Antragstellungen und Widersprüchen. Sie achten darauf, dass der Arbeitgeber, also die Charité, seinen Pflichten nach dem SGB IX nachkommt.

Wir, die Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers, sind arbeitgeberseitig vor allem für die Beratung von Führungskräften in allen Bereichen zuständig sowie für alle Charité Mitarbeitenden und gestellte Beschäftigte der Töchterunternehmen mit Schwerbehinderung / Gleichstellung.

Insbesondere bei Fragen rund um die Themen Hilfsmittelbeschaffung, Zuschussmöglichkeiten für behinderungsbedingte Arbeitsplatzausstattungen bzw. Zuschussmöglichkeiten bei vorliegenden Leistungseinschränkungen sind wir die richtigen Ansprechpersonen. Wir unterstützen auch das BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement), also helfen Kolleginnen und Kollegen bei der Rückkehr ins Arbeitsleben nach längerer Krankheit oder dem Erwerb einer Schwerbehinderung. Zudem sind wir ebenfalls bei Personalgesprächen oder in Konfliktsituationen dabei, unterstützen ganz allgemein bei Themen wie Inklusion und Präventionen, wozu beispielsweise auch das barrierefreie Bauen an der Charité zählt.“

Wiebke Hohenhaus ist ausgebildete Heilerziehungspflegerin und studierte Sozialarbeiterin (Bachelor) sowie Sozialmanagement (Master). Sie hat mehr als 15 Jahre berufliche Erfahrung in der Praxis der Eingliederungshilfe mit Menschen mit unterschiedlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen inkl. dem Aufbau eines Inklusionsbetriebes in Berlin.

Wenn also jemand mit gesundheitlichen Einschränkungen und/oder einer Schwerbehinderung einen Job bei der Charité beginnt oder Mitarbeitende erkranken oder einen Unfall haben, dann seid ihr zur Stelle?

„Richtig. Schon von Beginn einer Tätigkeit an, sogar ab der Bewerbung, ist es möglich, uns hinzuzuziehen. Das gilt auch für Auszubildende. Wir beraten dann ganz individuell. Beispielsweise zu leidensgerechten Arbeitsplätzen – also an die gesundheitlichen Einschränkungen angepasste Arbeitsplätze. Wie die aussehen, ist ganz unterschiedlich. Mitarbeitende mit einer Seheinschränkung benötigen gegebenenfalls eine spezielle Tastatur, Software, Maus oder eine Sensibilisierung des Arbeitsumfelds. Mitarbeitende mit körperlichen Einschränkungen benötigen vielleicht Hilfsmittel wie einen Lifter oder besondere Bürostühle und Schreibtische. Mitarbeitende mit einer Hörbeeinträchtigung benötigen bspw. Hörgeräte, Headsets oder einen Gebärdensprachdolmetscher für Teamsitzungen. Und Mitarbeitende mit psychischer Erkrankung brauchen z. B., wenn möglich, lärm- und stressreduzierte Arbeitsplätze sowie ein sensibilisiertes Arbeitsumfeld. Wir gehen dann insbesondere mit den zuständigen Führungskräften in den Kontakt und beraten dahingehend, wie ein Arbeitsplatz anzupassen ist und welche weiteren Unterstützungsmöglichkeiten wir intern und extern hinzuziehen können.

Auch finanzielle Zuschüsse können über uns bei der Agentur für Arbeit oder der Deutschen Rentenversicherung eingeholt werden, um betroffene Mitarbeitende (wieder) in den Job einzugliedern. Das ist beispielsweise der Fall, wenn jemand eine erhöhte personelle Unterstützung zur Einarbeitung benötigt, krankheitsbedingt länger nicht im Beruf arbeiten konnte und wieder neu einsteigt oder Leistungseinschränkungen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen zeigt. Wir arbeiten dann intern eng mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement, den Schwerbehindertenvertretungen, den Betriebsärztinnen und -ärzten, der Arbeitssicherheit usw. zusammen. Extern wiederrum arbeiten wir dann mit der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung, dem Inklusionsamt, den Integrationsfachdiensten und den Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) zusammen.”
 

Claudia Hoeppener ist Certified Disability Management Professional, Verwaltungsfachangestellte, Medizinische Fachangestellte und seit 36 Jahren an der Charité.

Welche Anforderungen müssen im öffentlichen Dienst in Bezug auf Inklusion erfüllt werden?

„Das ist in dem neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) definiert. Demnach obliegt Arbeitgebern im öffentlichen Dienst eine besondere Fürsorgepflicht in Bezug auf Mitarbeitende mit einer Schwerbehinderung / Gleichstellung. Ganz konkret bedeutet das, dass die Schwerbehindertenvertretungen immer mit in Vorstellungsgespräche eingeladen werden, wenn sich Menschen mit Schwerbehinderung bzw. einer Gleichstellung an der Charité bewerben. 
Und in allen weiteren Prozessen sind diese und weitere Personalvertretungen / Arbeitsbereiche ebenfalls hinzuzuziehen.

Weitere rechtliche Auflagen sind u.a. einen Nachteilsausgleich zu gewährleisten (Zusatzurlaub, besonderer Kündigungsschutz, Bereitstellung von leidensgerechten Arbeitsplätzen, Präventionsverfahren, kollegiale Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen und weiteres), immer vorausgesetzt die Mitwirkungspflicht der Mitarbeitenden ist ebenfalls gegeben.”
 

Die Arbeit der Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers ist vielfältig. Zum einen stellen sie sicher, dass die Vorgaben des neunten Sozialgesetzbuches durch die Charité als Arbeitgeber eingehalten werden, müssen aber zeitgleich mit Einfühlungsvermögen die Belange der Mitarbeitenden erfahren, um sie bestmöglich unterstützen zu können.

Wie ist der Ablauf, wenn sich Personen mit Behinderung bewerben? Werden diese Bewerbungen bevorzugt?

„Bewerbungen von Menschen mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung müssen im öffentlichen Dienst immer berücksichtigt und geprüft werden. Liegt die fachliche Eignung für eine ausgeschriebene Stelle vor, so müssen diese immer zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf Auszubildenden. Nicht immer sind gesundheitliche Einschränkungen schon in jungen Jahren komplett ersichtlich und zeigen sich dann erst im Laufe der Ausbildung. In diesen Fällen beraten wir auch hier arbeitgeberseitig in den Bereichen des Recruitings und der Nachwuchssicherung, um gute Lösungen für weitere Unterstützungsmöglichkeiten zu finden, damit eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wird.”
 

Krankheit oder Unfall muss nicht das Aus im Berufsleben bedeuten. Vielleicht bedarf es nur ein paar Anpassungen des Arbeitsplatzes. Wie die aussehen könnten, wissen Claudia und Wiebke.

Wie wird im Klinikumfeld mit Schwerbehinderungen umgegangen? Was ist da möglich und was vielleicht auch nicht?

„Der Großteil der Menschen erwirbt im Laufe ihres Lebens gesundheitliche Einschränkungen, die sich auf vielfältige Art und Weise zeigen können: Körperliche, kognitive, psychische und/oder Sinnesbeeinträchtigungen, die alle unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten bedingen.

Möglich ist, unter Einbezug der Mitwirkungspflicht jedes einzelnen Mitarbeiters, Arbeitsplätze leidensgerecht an die gesundheitlichen Einschränkungen anzupassen. Gerade im Klinikumfeld ist es nicht immer möglich jeden Arbeitsplatz für jeden Mitarbeitenden individuell anzupassen, da gesundheitliche Einschränkungen sehr vielfältig sein können. Ist eine Anpassung nicht möglich, dann muss unter Umständen ein neuer, passender Arbeitsplatz gefunden werden oder eine Umschulung stattfinden.”
 

Wo sticht die Charité in Bezug auf Inklusion hervor?

„Besonders erfreulich ist, dass die Charité Wert auf Inklusion legt und gleich zwei zuständige Inklusionsbeauftragte des Arbeitgebers beruft, die sich voll- bzw. teilzeitlich auf das Thema konzentrieren können. In anderen Betrieben ist dies nicht die Regel, sondern die Aufgaben von Inklusionsbeauftragten werden lediglich nebenamtlich anderen Stellenbeschreibungen, vorzugsweise im Personalbereich, zugeordnet.

Ergänzend dazu beschäftigt die Charité am Campus Mitte im Berliner Simulations- und Trainingszentrum seit März 2024 eine Mitarbeiterin, die aktuell noch in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (Stephanus Werkstatt Berlin gGmbH) angestellt ist. Ziel ist es, nach einer längeren Erprobungsphase auf einem sogenannten Außenarbeitsplatz der Werkstatt, ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis an der Charité entstehen zu lassen. Dieses Thema beraten wir bspw. arbeitgeberseitig im Bereich der Personalgewinnung. Somit kann perspektivisch der Übergang aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen auf den 1. Arbeitsmarkt ermöglicht und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefördert werden.

Das dortige Team und deren Leitungen haben sich aktiv und bewusst für diesen Weg der Förderung von Inklusion in ihrem Arbeitsbereich entschieden, was uns sehr freut und was wir gerne unterstützen.“
 

Martina hat ihren Weg über die Stephanus Werkstätten Berlin gGmbH, im Rahmen eines Inklusionsprojektes, an die Charité gefunden. Sie arbeitet im Berliner Simulations- & Trainingszentrum am Campus Mitte und kümmert sich u.a. um das Catering bei Veranstaltungen.

Gibt es eine Botschaft, die euch besonders wichtig ist?

„Viele Menschen tragen heutzutage eine Brille. Und warum? Weil sie eine Sehbeeinträchtigung haben und sie somit gesundheitlich eingeschränkt sind. Die Brille ist allerdings eines der gesellschaftlich am meisten akzeptierten Unterstützungsmittel für Menschen, die eine sogenannte Behinderung haben. Die Brille ist heutzutage sogar ein hippes Modeaccessoire.

Gesamtgesellschaftlich zeigt sich, dass das Thema „Behinderung“ bzw. gesundheitliche Einschränkungen zu haben immer noch mit vielen Barrieren verbunden ist. Viele trauen sich nicht, darüber zu reden und auch diese seinem Arbeitgeber mitzuteilen, da immer noch viele Vorurteile vorherrschen. Unsere Devise ist: Desto früher das Umfeld, in dem Fall der Arbeitgeber, informiert ist, desto eher kann eine Unterstützung erfolgen, um gemeinsam Barrieren abzubauen und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Denn das Angewiesen sein auf einen Gebärdensprachdolmetscher, eine spezielle PC-Software, einen Rollstuhl, ein sensibilisiertes Umfeld oder eine baulich barrierefreie Umgebung ist ebenso ‚normal‘ wie das Tragen einer Brille!”

 

Vielen Dank für das Gespräch