Display statt Klemmbrett? So digitalisiert sich die Charité
Wie digital ist die Charité aufgestellt, welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Arbeit der Pflegefachkräfte und wohin geht die Reise? In diesem Artikel schauen wir uns gemeinsam an, wie die Charité die Digitalisierung der Krankenversorgung vorantreibt.
Vorstellung vs. Realität: Krankenhäuser sind noch nicht ausreichend digitalisiert
Wer viele Medizin-Serien guckt, könnte glauben, dass alle Krankenhausmitarbeitenden mit Tablets in der Hand vor Panoramafenstern herumlaufen und dass Papier schon lange ausgedient hat. Vor Ort dann die Ernüchterung: in vielen Zimmern hängen noch immer Röhrenfernseher und es gibt für jede Patientin und jeden Patienten eine Papierakte. An der Charité – hier werden jährlich über 125.000 voll- und teilstationäre Fälle sowie mehr als 735.000 ambulante Fälle behandelt – bedeutet das eine Menge Papier.
In Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens gibt es also noch viel zu tun. Aber die gute Nachricht ist: vieles wurde bereits erreicht oder zumindest angestoßen. Wir werden in den kommenden Jahren fundamentale Änderungen sehen und die Charité nimmt hier schon jetzt eine Vorreiter-Rolle ein.
Denn es wurden bereits viele Prozesse digitalisiert und noch viel mehr wurde in die Wege geleitet. In vielen Behandlungsräumen findet man heute VR-Brillen oder auch Roboter. Insbesondere im OP und der Radiologie kann man sich nicht an High-Tech satt sehen. Nur ist die Digitalisierung mehr als tolle Technik. Vielmehr geht es darum, dem Kollegium die Arbeit zu erleichtern und eine effizientere Krankenversorgung anzubieten. So sollen zum Beispiel durch Automation Prozesse beschleunigt und Arbeitsschritte reduziert werden. Oder durch das Management von Daten sollen diese immer den richtigen Stellen zur Verfügung stehen und dabei gezielt für eine optimierte Krankenversorgung sowie die Forschung genutzt werden.
Warum müssen Krankenhäuser digitalisiert werden?
Durch die Digitalisierung soll insbesondere die Versorgungsqualität steigen und das Personal entlastet werden. Unter anderem durch den demographischen Wandel und die zunehmend komplexeren Behandlungsmöglichkeiten ist das Gesundheitssystem personell am Limit. Es fehlen Fachkräfte, insbesondere Pflegende, die vermehrt das Renteneintrittsalter erreichen. Zwar wird die Digitalisierung den Fachkräftemangel nicht alleine bekämpfen können, sie ist aber ein wertvolles Werkzeug, um die verschiedenen Berufsbilder in der Gesundheitsversorgung attraktiver zu machen, Patienten effizienter zu behandeln, Abläufe zu beschleunigen und gleichzeitig Ressourcen zu schonen. So könnte zum Beispiel die Administration weitestgehend automatisiert werden, um den Pflegefachkräften mehr Zeit für die Patientenversorgung zu geben.
Die Digitalisierung und Modernisierung der Krankenhäuser ist auch ein großes Anliegen der Politik. Auf Basis des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) sind Krankenhäuser angehalten, in die Digitalisierung zu investieren. Der Staat fördert dies mit einem Gesamtvolumen von 44,3 Mrd. Eur. Mehr dazu hier.
Um zu bestimmen, wie genau dieser Wandel aussehen soll und welche Digitalisierungsprojekte in welchem Umfang wirklich Sinn ergeben oder priorisiert werden müssen, wird an der Charité partizipativ gearbeitet. Multiprofessionelle Teams beteiligen sich gemeinsam an den Prozessen, damit die Ergebnisse allen Berufsgruppen und ihren Patientinnen und Patienten zugutekommen.
Zudem wurden mit Blick auf das KHZG gleich mehrere Fokusgruppen gegründet, die sich z. B. um den Aufbau eines Patientenportals, um die Pflegedokumentation oder um das Thema Medikation kümmern.
“Zukunft gestalten” – alle werden in den Prozess der Digitalisierung mit einbezogen
Damit “Zukunft gestalten” keine leere Phrase bleibt, ist die Charité am Handeln. Für den Prozess der Digitalisierung wurden spezielle Stellen und Strukturen geschaffen. Um die IT noch besser mit den Kliniken zu verknüpfen und somit ein strukturiertes Management von Gesundheitsdaten abzudecken, wurde im Januar 2021 Prof. Dr. Dr. Felix Balzer zum Chief Medical Information Officer (CMIO) ernannt.
Mit seinem interdisziplinären Team setzt er auf einen partizipativen Ansatz, indem die Menschen im Mittelpunkt stehen. Zusammen werden Schwachstellen und Wünsche in Arbeitsabläufen auf Stationen und Ambulanzen identifiziert und gemeinsam nach innovativen, digitalen Lösungen gesucht. Neue digitale Tools müssen vor allem für diejenigen funktionieren, die damit täglich arbeiten. Um ein gesamtheitliches Bild der Krankenversorgung zu erhalten, bezieht das CMIO-Team ebenso die Patient:innenperspektive mit ein. Das Ziel ist es, die Digitalisierung der “Patient Journey” voranzutreiben und so den gesamten Krankenhausaufenthalt mit Hilfe von digitalen Anwendungen so effizient und angenehm wie möglich zu gestalten.
Wie betrifft die Digitalisierung die Pflege?
Es ist ein großes Anliegen der Charité, die Pflege aktiv mit in den Vorgang der Digitalisierung einzubeziehen. Aus diesem Grund wurde die Stelle der CMIO Associate Pflege als zentrale Ansprechperson in der Pflege geschaffen. Diese kann insbesondere in den Bereichen Tools, Technik und digitale Lösungen fortschrittliche Empfehlungen aussprechen. Doch nicht nur das, auch direkt auf Station schafft sie zukunftsfreundliche Rahmenbedingungen.
Der Fokus liegt darauf, dass Tätigkeiten, die nicht direkt an der Patientin oder dem Patienten stattfinden, reduziert werden. So sollen Pflegende bei ihrer Arbeit entlastet werden und den Schwerpunkt auf die Krankenversorgung legen können.
Mit Tina Ellerhausen (M.Sc. Pflegewissenschaft/ APN) konnte die Charité diese Stelle mit einer Kollegin besetzen, die ist seit 2018 als Pflegeexpertin APN im klinischen Konsildienst tätig ist. Dadurch hat sie bereits weite Teile des Hauses intensiv kennengelernt. Seit zwei Jahren unterstützt sie als Praxisentwicklerin mehrere stationäre Bereiche in der Personenzentrierung und Evidenzbasierung.
Station 2030 und Station der Zukunft: Prozesse im echten Setting erproben
An der Charité dreht sich alles um die Medizin der Zukunft, wie es auch in der Charité Strategie 2030 erklärt wird. Um Behandlungsansätze, Anwendungen, Modelle und Technik zu entwickeln und zu erproben, gibt es die Station der Zukunft sowie die Station 2030.
Unter dem Namen Station der Zukunft laufen drei Modellstationen, die regulär Patientinnen und Patienten versorgen. Nur werden hier vermehrt zukunftsorientierte digitale Modelle und Anwendungen in den Arbeitsalltag eingebunden. Digitale Pilotprojekte werden auf ihre Tauglichkeit getestet.
Bestehen hier Projekte den Realitäts-Check, also helfen den Kolleginnen und Kollegen Zeit zu sparen oder eine verbesserte Versorgung anzubieten, werden sie auf weiteren Stationen implementiert. Gerade auf den Stationen der Zukunft arbeitet die Pflege besonders eng mit dem CMIO-Team zusammen.
Gleichzeitig werden auf den Stationen 2030 neue interdisziplinäre Behandlungstechniken und New Work Modelle erarbeitet und ausprobiert. So zum Beispiel neue Dienstplanungssysteme und Arbeitszeitmodelle. Unter anderem wurde die Übergabe neugestaltet. Diese wird nun von der Ärzteschaft zusammen mit den Pflegekräften und weiteren Gesundheitsfachberufen durchgeführt. So integriert man die Pflege verstärkt in die Behandlungsentscheidungen rund um die Patientinnen und Patienten. Die Ärzteschaft erhält im Gegenzug einen noch besseren Blick auf die Erkrankten, da die Pflegekräfte, die meiste Zeit mit ihnen verbringen und sie so besonders gut beurteilen können.
Ganz grundsätzlich will die Charité weg von alten Modellen und der Denkweise “Das war schon immer so” und hin zu neuen digitalen Lösungen, die für unsere Mitarbeitenden und Patientinnen und Patienten wirklich Sinn ergeben.
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist definitiv eine große Herausforderung, aber eine Aufgabe mit vielen Möglichkeiten und Chancen. Alle Mitarbeitenden der Charité sind aufgerufen, sich zu beteiligen und Ideen einzubringen.
Zukunft des Gesundheitswesens jetzt mitgestalten
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