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Was ist Pflege? Ein Aufklärungsgespräch

Waschen, Füttern, Händchenhalten. Dies ist – zugegeben sehr überspitzt – die Vorstellung, die manche Menschen vom Pflegeberuf haben. Medizinische Fachexpertise Fehlanzeige. Kein Wunder, dass über fehlende Anerkennung geklagt wird. Warum das Bild falsch ist, wie die Arbeit in der Pflege tatsächlich aussieht und warum sie mitunter hochkomplex ist, erfährst du in diesem Artikel.

Falsche Vorstellungen vom Pflegeberuf

Immer wieder trudeln bei uns Bewerbungen ein, von Menschen, die ihre Angehörigen gepflegt haben und die nun eine Pflegestelle bei uns besetzen wollen. Natürlich ist dies zu Zeiten des Pflegefachkräftemangels löblich und es freut uns, dass Menschen aktiv zur Lösung beitragen wollen. Dennoch zeigt es, dass es ein falsches Verständnis vom Pflegeberuf gibt. Denn ohne eine fundierte Ausbildung oder ein Studium kann man den Beruf der Pflege nicht ausüben. Kaum eine Arbeit verlangt nach einem solch breiten Wissensschatz wie die Krankenpflege. Zumal Fehler folgenschwer enden können.  

Eine Pflegerin steht in der Notaufnahme. Im Hintergrund ist ein Patientenbett in der Unschärfe
In der Notaufnahme ist die Pflegearbeit besonders komplex und vielseitig. Pflegefachkräfte sind hier wie Schweizer Taschenmesser und beherrschen viele Disziplinen.

Sieben Gründe, warum Pflege ein hochkomplexer Beruf ist

Der Berufsalltag der Pflegefachkräfte ist ohne eine jahrelange und gute Ausbildung bzw. ein Studium nicht zu bewältigen. Es ist ein auf diversen Ebenen herausfordernder Job, der neben guten Softskills (z. B. soziale Kompetenz) insbesondere auch Hardskills (fachliche Kompetenz) fordert.  

Denn auf Station arbeitet die Pflege mit Menschen, die sich in gesundheitlichen Notlagen befinden und gezwungen sind, sich und ihre Selbstbestimmtheit “Fremden” anzuvertrauen. Damit dies gelingt, braucht es kompetente und gut ausgebildete Pflegefachkräfte, denen sich die Patientinnen und Patienten anvertrauen können. 

Zudem gibt es auf vielen Stationen weder die Zeit noch den Raum für Fehler, wenn beispielsweise dringend ein Medikament verabreicht werden muss oder gar eine Reanimation anfällt.  

Die Gründe, warum der Job so komplex ist, lassen sich wie folgt zusammenfassen...

Grund 1: Komplexer Körper 

Pflegekräfte müssen sich mit Anatomie genaustens auskennen. Wo wird wie die Spritze mit welcher Kanüle gesetzt? Wie wird ein Bruch gegipst, die Wunde versorgt oder die Patientin bewegt?  

Um Menschen zu pflegen, muss die Pflegefachkraft den menschlichen Körper genaustens kennen. Wer das nicht tut, verursacht eventuell Schmerzen oder gar bleibende Schäden. 

Grund 2: Komplexe Geräte 

Im Krankenhaus gibt es eine Vielzahl verschiedener Geräte, die richtig angeschlossen, bedient und ausgelesen werden müssen. Alle, die schon einmal auf einer Intensivstation waren, wissen, dass es an jeder Ecke piept. Pflegende behalten den Überblick, egal ob Beatmungsmaschine, Infusions- und Spritzenpumpen, EKG, Defibrillator oder zahlreiche noch komplexere Maschinen. Hinzu kommen Dokumentationssoftware und andere digitale Systeme, die bespielt werden müssen. Werden Maschinen falsch bedient, kann es auch hier wieder zu gefährlichen Situationen kommen.   

Grund 3: Komplexe Medikamente 

Gerade bei der Verabreichung von Medikamenten darf kein Fehler gemacht werden. Zwar werden Medikamente von der Ärzteschaft verschrieben, aber die Verabreichung obliegt meist den Pflegenden. Ein fundiertes Wissen über Wirkstoffe und deren Anwendung ist unabdingbar, um als Pflegefachkraft zu arbeiten. 

Zwei Pflegerinnen auf der Nephrologie Station bereiten Medikamente vor.
Bei der Arbeit mit Medikamenten ist Kenntnis und Genauigkeit gefragt.

Grund 4: Komplexe emotionale Situationen 

Pflegefachkräfte, je nach Einsatzbereich, stecken oft in emotional extrem aufgeladenen Situationen, denn die Patientinnen und Patienten befinden sich in einer Ausnahmesituation, die oft mit Schmerz und Leid einhergeht. 

Gerade in einem größeren Haus, in dem sehr komplexe Fälle behandelt werden, kommt es regelmäßig vor, dass “schlechte Nachrichten” überbracht werden. Die Ärztin oder der Arzt überbringt diese und klärt auf, verlässt dann aber meist das Zimmer. Zurück bleibt die Pflegefachkraft. Sie ist da für Rückfragen oder die Schulter zum Anlehnen. Die Pflege ist ebenfalls da, um Menschen in gewissen Situationen mit Fingerspitzengefühl Scham zu nehmen. Wenn Menschen nicht bei sich sind, wenn Menschen in persönlichen Krisen oder unter starken Schmerzen beruhigt werden müssen. Und viele weitere hochempfindliche Situationen. So etwas zu bewältigen, können nur Menschen, die darauf vorbereitet wurden und es gelernt haben.  

Grund 5: Komplexe Notfallsituationen  

Ob im Schockraum der Notaufnahme, wenn Schwerverletzte eingeliefert werden, oder bei Reanimationen auf Stationen: Pflegende kämpfen gemeinsam mit der Ärzteschaft in erster Reihe um jedes Leben. Gerade in solchen Situationen muss jeder Handgriff sitzen. Und das tun sie natürlich nur, wenn sie wieder und wieder geübt wurden. 

Hinzu kommt, dass jede Situation anders ist. Andere Patientinnen und Patienten, andere Krankheitsbilder, andere Symptome und andere Reaktionen auf Maßnahmen. Erfahrung und Training sind essenziell, um einen kühlen Kopf zu bewahren und professionell zu handeln.  

Grund 6: Komplexe Priorisierungen 

Es gibt kaum einen anderen Arbeitsplatz, an dem gute Priorisierung und ein agiles Zeitmanagement so wichtig sind wie im Krankenhaus auf Station. Jede Pflegefachkraft ist an sich auch Projektmanagerin oder Projektmanager. 

In der Notaufnahme entscheiden Pflegende in der Triage, wer wann in welcher Reihenfolge behandelt wird. Hierfür ist natürlich medizinisches Fachwissen gefragt.  
Aber auch auf Station entscheiden Pflegende, ob Patientin A erst ihr Essen oder Patient B erst seine Medikamente bekommen soll. Im besten Fall sind die Stationen so gut besetzt, dass Aufgaben nicht jongliert werden müssen. Wenn es aber hart auf hart kommt, wird aus jeder Pflegefachkraft eine Krisenmanagerin oder ein Krisenmanager. Es wird priorisiert immer mit Blick auf das Wohl der Patientinnen und Patienten. 

Ein Pfleger telefoniert während er eine Infusion vorbereitet
Pflegenfachkräfte sind quasi immer auch Projektmanager mit einer extremen Hands-on-Mentalität.

Grund 7: Pflegekräfte sind auch Lehrkräfte 

Pflegekräfte sind auch Lehrkräfte. Denn zum einen geben sie ihr Wissen an den Nachwuchs weiter, der auf Station praktische Erfahrung sammelt. Und zum anderen sind sie mit der Anleitung und Beratung von Betroffenen beauftragt: Je nach Bereich kann dies eine große Rolle in der Arbeit spielen, denn Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige müssen informiert und befähigt werden, bestimmte Pflegemaßnahmen eigenständig durchzuführen. Dies ist zum Beispiel bei Langzeitpflegefällen oder chronischen Erkrankungen wichtig. Erst informiert die Pflegefachkraft die Betroffenen ausführlich zur Krankheit und leitet sie dann an, bestimmte Maßnahmen eigenständig durchzuführen. Dies hilft den Betroffenen ungemein, einen autonomen Alltag mit erhöhter Lebensqualität zu führen. 

Eine Pflegerin zeigt einer Kollegin etwas auf einem Flip Chart.
In der Pflege berät man oftmals Betroffene. Aber auch selbst lernt man nicht aus, sondern muss immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft bleiben.

Was beinhaltet der Pflegeberuf?

Der Pflegeberuf ist sehr vielfältig und unterscheidet sich stark von Klinik zu Klinik, Station zu Station bzw. Ambulanz zu Ambulanz. Je nach Fachgebiet und Patientinnen und Patienten müssen Pflegende ganz unterschiedliche Kompetenzen mitbringen.  

Im Kern geht es im Pflegeberuf an der Charité aber immer darum, Patientinnen und Patienten nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu versorgen und Pflegekonzepte bzw. -prozesse auszuführen. Dabei wird in multiprofessionellen Teams gearbeitet, um eine möglichst ganzheitliche Versorgung anzubieten. Wie genau die Versorgung aussieht, variiert dann natürlich mit der jeweiligen Erkrankung.  

Ein Beispiel für Vielseitigkeit: Die dermatologische Station 162 am Charité Campus Mitte.  

Bei Dermatologie denken viele, dass die Pflegefachkräfte hauptsächlich mit dem Einsalben der Haut beschäftigt sind. Und tatsächlich gehören Salbungen, Bäder und Lichttherapie mit zur Versorgung dazu. 

Große Schwerpunkte der Station sind aber auch bösartige Tumore, wie beispielsweise das Melanom und das Plattenepithelkarzinom. Hinzu kommen zahlreiche Nebenerkrankungen, verursacht durch die Metastasierung und bzw. oder der Chemotherapie. Durch das geschwächte Immunsystem kommt es oft zu Wundheilungsstörungen nach operativen Eingriffen und Folgeerscheinungen durch die Tumorerkrankung selbst. Gute Verbände sind entscheidend für den Heilungsprozess. Zudem haben die Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen, Atemnot, Appetitlosigkeit, Übelkeit, starke Schwäche und Müdigkeit zu kämpfen. Auch hierauf müssen die Pflegefachkräfte eingehen. Zudem werden auf der Station auch im Rahmen der Palliativpflege Sterbeprozesse begleitet. Dadurch, dass Pflegefachkräfte besonders intensiv mit den Patientinnen und Patienten arbeiten, sind es meist sie, die Veränderungen am Gesundheitszustand feststellen und entsprechend reagieren können.  

An dem Beispiel wird klar, wie abwechslungsreich der Beruf alleine auf einer Station ist und wie viel Wissen jede einzelne Pflegefachkraft mitbringen muss. Ohne Ausbildung oder Studium wäre die Arbeit dort völlig undenkbar.  

Gruppenfoto von dem Pflege und Service-Team der dermatologischen Station am CCM
Das Pflegeteam der dermatologischen Station bündelt unterschiedliche Kompetenzen, um den Patientinnen und Patienten zu helfen, schweren Krebserkrankungen die Stirn zu bieten.

Wie lange dauert die Ausbildung in der Pflege?

Die Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann dauert drei Jahre. In Teilzeit maximal bis zu fünf Jahren. Sie ist aufgeteilt in einen praktischen Teil, bei dem die Auszubildenden aktiv auf den Stationen mitarbeiten und Gelerntes direkt anwenden, sowie einen theoretischen Teil. Bei Letzterem geht es insbesondere um Pflegeprozesse und Pflegediagnostik in akuten und dauerhaften Pflegesituationen. Der Unterricht deckt somit auch Anatomie, Krankheitslehre und Medikation ab. Zudem gibt es auch Fächer wie Ethik, Kommunikation und Beratung. Durch Simulationstraining wird das Gelernte erprobt.  

Die Theorie umfasst etwa 2.100 Stunden, der praktische Teil etwa 2.500 Stunden.  

Relativ neu in Deutschland ist, dass Pflege jetzt auch studiert werden kann. Die Akademisierung des Berufes ist wichtig, um der oben erwähnten Komplexität Rechnung zu tragen und den Pflegestandard durch eine optimierte Ausbildung weiter zu verbessern. An der Charité dauert das Studium zur Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann (Bachelor) sieben Semester, also 3,5 Jahre. Auch im Studium gibt es einen großen praktischen Anwendungsteil, der die gelernte Theorie in den Köpfen verfestigt.  

Dürfen Pflegende in anderen Ländern mehr?

Universitätsprofessor Michael Ewers, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, untersucht diese und viele weitere Fragestellungen rund um den Pflegeberuf seit mehreren Jahren. Er verweist darauf, dass andere Länder, wie zum Beispiel die Niederlande, Schweden und Großbritannien uns in Deutschland weit voraus sind, was die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege angeht. In den meisten Ländern der Welt ist heutzutage der Hochschulabschluss der einzige Weg, um in der Pflege zu arbeiten. In Deutschland besitzen aber nur wenige Prozent diesen Abschluss. 

Zudem handeln Pflegekräfte im Ausland oftmals autonomer. Sie übernehmen Aufgaben und Tätigkeiten, die hierzulande nur von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden dürfen oder von diesen angeordnet werden müssen. In anderen Ländern haben Pflegekräfte bzw. Mitarbeitende der Gesundheitsfachberufe einen erweiterten Kompetenzrahmen und sind oftmals erste Anlaufstelle für die Krankenversicherten. In mehreren anderen Ländern dürfen Pflegefachkräfte beispielsweise auch Medikamente verschreiben, die in ihr Fachgebiet fallen. Diese Eigenverantwortung wird politisch gefördert.  

Hierdurch genießt der Pflegeberuf in den meisten anderen Ländern auch einen deutlich besseren Ruf, als es in Deutschland der Fall ist. Die, die aus dem Ausland zu uns stoßen, sind oftmals verwundert oder gar frustriert, dass sie in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten werden. Und das ist verständlich, handelt es sich doch um gut ausgebildetes Personal. Die fortschreitende Akademisierung der Pflege wird aber dazu beitragen, dass sich diese Regeln ändern und sich Pflegepersonal bald mehr Aufgaben mit der Ärzteschaft teilt.

Eine Pflegekraft im Anerkennungslehrgang lächelt in die Kamera
In den meisten anderen Ländern ist der Pflegeberuf akademisiert. So beispielsweise in Mexiko und den Philippinen.

Jetzt Teil des Teams werden

Wir hoffen, es wurde deutlich, dass Pflege ein anspruchsvoller und abwechslungsreicher Beruf ist. Vielmehr noch: Es ist ein Job mit tausend Möglichkeiten, Vielfalt und kontinuierlicher Entwicklung in einem hochprofessionellen, multidisziplinären Universitäts-Setting. Die Verantwortung den Patientinnen und Patienten gegenüber macht die Arbeit dabei umso sinnstiftender und erfüllender.  

Du hast jetzt ebenfalls Lust bekommen, in der Pflege zu arbeiten? Wechsel in unser Team. Und wenn du noch keine Ausbildung hast, wir bieten sowohl Ausbildungsplätze wie auch das Pflege-Studium an. Komm an die Charité und arbeite (oder lerne) in Teams, die sich gegenseitig den Rücken stärken und gemeinsam Herausforderungen meistern.

Wenn du Fragen hast oder hospitieren willst, schreibe an bewerbung@charite.de

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